I’m every woman

in: MISSY 02/2019


Was wäre, wenn bedeutende Preise der Kulturindustrie nicht länger in Kategorien wie beste_r Sänger_in oder Schauspieler_in verliehen würden, sondern ausschließlich an die misogynsten Beziehungspartner der Weltgeschichte? Mit diesem Gedankenexperiment beginnt Liv Strömquists Comicstripsammlung „I’m every woman“. Titelgebend dafür war ein durch Whitney Houston berühmt gewordener Soul-Klassiker; das Original von 1978, dem Geburtsjahr der Autorin, stammt jedoch von Chaka Khan, die noch mit den Black Panthers frühstückte. Strömquist geht es folglich nicht allein um feministische Positionierungen entlang der Pole von Gleichheit und Differenz; es geht ums Ganze – und darum, an entscheidenden Stellen um die Ecke zu denken. So etwa folgt auf ihre fiktive Show mit Top-Platzierungen für Marx, Munch, Sting und Picasso das Zurechtrücken einer Pyramide mit fixem Platz in der Geschichte der politischen Karikatur. Mit spitzer Feder bringt Strömquist ein Sujet der Industrial Workers of the World ins Wanken. „Gleichstellung“ will sie an diesem Punkt durchaus wörtlich verstanden wissen: am anderen Ende einer Gesellschaftsordnung, die von denen, die ganz unten sind, getragen wird, stehen bei ihr fast nur Frauen. Als Stützen der von einem Geldsack gekrönten Pyramide können sie diese jedoch auch jederzeit zum Einsturz bringen – mit einer gesellschaftsverändernden, feministischen Vision, an die Strömquist mit jeder ihrer Zeichnungen appelliert.


Liv Strömquist: I’m every woman Avant-Verlag 2019, 112 Seiten