Interviews
"Wer den Humor vergisst,
verlernt zu leben"
Ein Gespräch mit Aleksandar Zograf*
Die Bemerkung, dass Krieg
niemals in der Realität stattfindet, weil dieser immer schon medial vermittelt ist, hat den französischen Philosophen Jean Baudrillard einst zur
Negation des Zweiten Golfkrieges veranlasst. Dass Krieg auch dann ein Ereignis mit
realen Folgen ist, wenn die dazugehörigen Bilder genau diese Realität zu bagatellisieren scheinen,
zeigen die Comics des serbischen Zeichners Aleksandar Zograf. In seiner 2006 erschienen
Comic-Sammlung „Regards from Serbia“ hat er Gegenbilder zur
hegemonialen Medienberichterstattung über den Krieg in Ex-Jugoslawien
entworfen. Das Zeichnen wurde für Zograf währenddessen zur Überlebensstrategie:
als die Bomben über Belgrad fielen, machte er weiter. Barbara Eder sprach mit Aleksandar Zograf über Medienmacht
und (Selbst-)Ironie
Pseudonyme sind in der
Comic-Szene weit verbreitet. Wie aber wurde aus Saša Rakezić Aleksandar Zograf?
Bevor ich begann Comic-Reportagen zu machen, war ich als Journalist tätig. Auch ich
hatte einmal einen ernsten Job! Das Pseudonym Zograf ist
eigentlich aus der Not entstanden: Ich hätte meine journalistischen Texte nicht
veröffentlichen können, wenn der Redakteur gewusst hätte, dass ich für die
Comics in derselben Zeitung verantwortlich bin. Das Pseudonym Aleksandar Zograf
war also eine Art Trick...
Mit „Regards from Serbia“
bist du über die Landesgrenzen hinaus bekannt geworden. Wie kam es zu dieser
Serie?
Als die Nato Belgrad bombardierte, begann ich mit „Regards from Serbia“. Jeden Tag flogen
Nato-Bomber über meine Heimatstadt Pancevo hinweg und man hörte mal ferner, mal
näher die Einschläge. Eigentlich begann ich zu zeichnen, um mich von der
existentiell bedrohlichen Situation abzulenken, zugleich habe ich sie dadurch
aber auch festgehalten. Ich wollte zeigen, was abseits der medialen
Berichterstattung wirklich passiert. Erschienen sind die Strips dann
ausgerechnet in dem Land, das die Bomben abgeworfen hatte. Magazine und
Zeitungen in den USA haben nachgefragt, mein amerikanischer Zeichner-Kollege
Chris Ware hat mich dazu ermutigt, die Serie zu veröffentlichen – auch wenn es
bei meinen Landsleuten anfänglich Verwunderung ausgelöst hat, dies zu tun.
Comiczeichner wird man nicht über Nacht. Welche Vorbilder hattest du und wie ist es um die serbische
Comicszene im Allgemeinen bestellt?
Beeinflusst wurde ich
zeichnerisch von Robert Crumb, zu dem ich seit den 1990ern in engem
Kontakt stehe. Crumb ist nicht nur für seine Comics bekannt, sondern auch
dafür, dass er fanatisch Platten sammelt. Darunter findet sich auch viel
Musik aus dem Balkan – ein Bereich, in dem ich mich wiederum sehr gut auskenne.
Neben der professionellen Arbeit für das von Crumb herausgegebene Comic-Magazin
„Weirdo“ bin ich mit ihm befreundet. Will Eisner schätze ich ebenfalls sehr,
ich habe ihn allerdings nur flüchtig kennengelernt. Eisner besitzt eine Art
fotografisches Gedächtnis und muss sich deshalb nicht besonders anstrengen,
wenn er eine Geschichte in Bildern erzählen möchte! Zuletzt wäre da
noch Art Spiegelman, der dem Medium Comic eine sozialkritische Prägung verliehen
hat. Er hat gezeigt, dass der Comic ein ernsthaftes Medium ist, das über
ernsthafte Themen wie etwa den Holocaust erzählen kann. In Serbien-Montenegro gibt
es eigentlich keine Comicszene, die Orientierung an amerikanischen
Vorbildern war naheliegend. Auch in den serbischen Tageszeitungen erscheinen
kaum Cartoons von heimischen Zeichnern, zumeist werden ausländische Comics
übersetzt und abgedruckt. Es sei denn, du zählst die Workshops in meiner Küche
zur Comicszene...
Dein eben erst beim Verlag
des Wiener Kabinett für Wort und Bild veröffentlichter Band heißt „TV
Addicts“. Seit den 1990ern löst das Internet das vormalige Leitmedium Fernsehen
ab. Warum dennoch dieser Band?
Fernsehen will dir klarmachen,
was wahr ist und was nicht. Damit ist es immer noch eine entscheidende
Medienmacht. Ich habe versucht, die medial kolportierte Wahrheit zu
ironisieren. Nichtsdestotrotz würde ich niemandem verbieten, fern zu sehen. Man
sollte das Fernsehen nicht allzu ernst nehmen. Vergisst man nämlich den Humor,
verlernt man zu leben.
Informationen zur Arbeit von Aleksandar Zograf finden Sie hier
*Originalbeitrag, in gekürzter Form erschienen in: Unique 9/2008, S. 9,
aus dem Englischen von Barbara Eder